Anlässlich der neuen alszeilen-Ausgabe zum Rückrundenstart 2022 haben die alszeilen Coach Robert Weinstabl zum Gespräch gebeten.
Lieber Robert, im Sommer hast du gesagt, dass dir in dieser Saison die Weiterentwicklung der Mannschaft wichtiger als Spielergebnisse ist. Nun steht man in der Tabelle auf Platz 3, im Ligapokal im Halbfinale. Wie ist dein Zwischenfazit und mit welchen Zielen geht ihr in die Rückrunde?
Es ist immer erfreulich, wenn wie in der Hinrunde die Entwicklung der Mannschaft mit den Ergebnissen einhergeht. Als Traditionsverein haben wir natürlich auch ergebnismäßige Ansprüche. Uns ist allen klar, der Wiener Sport-Club gehört ins obere Tabellendrittel. Es ist uns aber auch gelungen, unsere spielerische Entwicklung nicht zu vernachlässigen. In der Rückrunde wollen wir vor allem an unserem Spielsystem Adaptierungen vornehmen und auch unser Positionsspiel entwickeln. Wenn wir nach dem letzten Spieltag wieder unter den Top 5 stehen, haben wir auch in dieser Saison mit unseren vorhandenen Möglichkeiten vieles richtig gemacht.
In der Winterpause sind gleich fünf neue Spieler verpflichtet worden. Wie kam’s dazu?
Bei der Auswahl unserer Neuzugänge ging es uns in erster Linie darum, Abgänge wie Kriwak, Haladaj oder Aussenegg zu ersetzen. Wir wollten allerdings auch perspektivisch, also langfristig, ein klares Zeichen setzen. Uns ist bewusst, wenn alle Spieler fit sind, haben wir einen großen Kader, jedoch hat der Herbst und auch die bisherige Vorbereitung gezeigt, wie wichtig eine entsprechende Kaderbreite ist, um unseren Ansprüchen gerecht zu werden.
Mit Daniel Scharner und Marcel Holzer kamen zwei Spieler, die du noch aus Amstetten kennst. Kann man von Wunschspielern sprechen?
Absolut. Daniel Scharner hat sich in Amstetten im Aufstiegsjahr ungemein entwickelt. Er ist in dieser Zeit nicht nur als Spieler, sondern auch in seiner Persönlichkeit enorm gereift und wird uns vor allem mit seiner Mentalität sehr guttun. Marcel Holzer hat großes Potential und ist ein sehr vielfältiger Stürmer. Wenn es uns im Trainerteam gelingt, die Balance zwischen Fordern und Fördern zu finden, werden wir mit den Beiden noch viel Freude haben.
Du hast die aktuelle Vorbereitung als die bisher herausforderndste bezeichnet, zu vielen Verletzungen und Ausfällen kamen auch kurzfristige Testspielabsagen. Bist du froh, dass es nun wieder losgeht?
Ja und Nein. Auf der einen Seite sind wir froh, dass jetzt endlich wieder ein normaler Rhythmus auf uns zu kommt. Aufgrund der Tatsache, dass wir bis letzte Woche noch mit Verletzungen, grippalen Infekten und Coronafällen zu kämpfen gehabt haben, hätten uns ein bis zwei Wochen noch ganz gutgetan. Wir konnten leider bei keinem einzigen Testspiel annähernd auf unseren gesamten Kader zurückgreifen und nur wenige Spieler konnten die gesamte Vorbereitung mitmachen. Beispielsweise sind Berkovic, Csandl, Gusic oder Beljan erst vor wenigen Tagen so richtig kontinuierlich ins Training einsteigen, sodass die ersten Wochen in der Rückrunde wohl eher einer Lotterie gleichen werden.
Rene Kriwak war im Sommer dein Wunschspieler für die Nachfolge von Thomas Hirschhofer. Ähnlich wie „Hirschi“ kopfballstark und präsent in der „Box“ – trifft das auch auf die neuen Stürmer zu oder willst du im Offensivspiel variabler werden? In Amstetten hast du häufig mit zwei Stürmern gespielt..
Stimmt, in Amstetten hatten wir mit Vukovic und Schibany ein für Regionalligaverhältnisse großartiges Duo. Zudem haben sich beide auch sehr gut ergänzt. Aufgrund unserer Spielweise ist ein Stürmer, welcher Qualitäten in der Box mitbringt, essenziell. Kriwak hat nach Hirschhofer am Punkt genau gepasst, denn beide waren in ihrem Positionsprofil sehr ähnlich. Es ist nicht einfach, halbjährlich einen ähnlichen Spielertypen zu finden. Holzer und Rekirsch kommen zwar von der Körpergröße nicht ganz an Kriwak und Hirschhofer heran, sind jedoch auch sehr robuste Stürmer, haben einen guten ersten Kontakt in der Box, einen sicheren Abschluss und tolle Qualitäten in Bezug auf Ballsicherung und Tiefengang. Wie zu Beginn bei Kriwak müssen wir jetzt auch Holzer und Rekirsch Vertrauen geben und hart mit ihnen arbeiten.
Besonders offensiv hat man in dieser Saison wieder zugelegt und gehört zu den torgefährlichsten Teams der Liga. Wurde an den richtigen Schrauben gedreht oder kommen da manchmal auch Glück oder Pech dazu?
Wir versuchen in unserer Arbeitsweise so wenig wie möglich vom Faktor Glück oder Pech abhängig zu sein. Wir wollten im Sommer bewusst wieder Veränderungen vornehmen, denn unser Offensivspiel war im Herbst vor dem Abbruch sehr „Todoroski-Lastig“. Es war unser Ziel, mehr Flexibilität in unser Ballbesitzspiel reinzubringen. Dies ist uns aufgrund der unterschiedlichen Torschützen in der Hinrunde auch gut gelungen. In Spielen wie gegen Wiener Viktoria oder Mauerwerk, wo wir vor allem im letzten Drittel die nötigen Räum bespielen konnten, hatten wir eine richtig gute Positionierung und auch ein starkes Umschaltspiel. Probleme haben wir noch gegen extrem tiefstehende Gegner wie beispielsweise beim 0:0 gegen Draßburg gezeigt. In diesem Bereich wollen wir den Hebel ansetzen.
Die 1b überwinterte auf dem Aufstiegsplatz in die 2. Landesliga. Wäre ein Aufstieg deiner Meinung nach wünschenswert oder sind für die 1b andere Dinge wichtiger?
Wie in unserer Kampfmannschaft müssen auch hier die Ziele einhergehen. Die individuelle Entwicklung steht klar im Vordergrund. Jedoch wäre der Aufstieg in die 2. Landesliga sehr wünschenswert, denn bei aller Wertschätzung, aber das Niveau in der Oberliga ist auf Dauer nicht zielführend für die Weiterentwicklung unserer Jungs.
Drei Spieler, die du in den letzten Jahren in die KM hochgezogen hast, sind im Winter in die Stadtliga verliehen worden. Waren die Transfers Wunsch des Trainerteams und hast du mit den Spielern im Vorfeld über die Wechsel gesprochen?
Wir sind hier im regen Austausch mit unseren Spielern. Petruljevic, Bender und Jesic haben von sich aus in unserem gemeinsamen Jahresabschlussgespräch, in dem wir mit den Jungs die Saison, aber auch deren Perspektiven analysieren, den Schritt in die Stadtliga als nächsten Entwicklungsschritt in Erwägung gezogen. Gemeinsam haben wir dann die richtigen Lösungen gesucht und gefunden. Wir sind auch heute noch mit den Spielern in Kontakt und alle drei haben sich bei ihren neuen Vereinen gut eingelebt.
Denkst du für junge Spieler, die sich noch in ihrer fußballerischen Entwicklung befinden, waren die coronabedingten Pausen und Saisonabbrüche schwerwiegender als für die etablierten Spieler?
Vor allem die jungen Spieler haben unter der Situation enorm gelitten, denn sie waren in ihrer Entwicklung eingegrenzt. Oftmals sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob ein Spieler den nächsten „Step“ macht oder nicht. Wir sind zwar im Trainerteam sehr kreativ gewesen und haben versucht, die coronabedingten Pausen so gut wie möglich zu überbrücken, jedoch kann kein Training dieser Welt Spiele oder einen Wettkampfrhythmus ersetzen. Auch für die etablierten Spieler war es zäh, jedoch konnten sie vor allem mental besser mit der Situation umgehen.
Mit Amstetten bist du 2018 in die 2. Liga aufgestiegen, der Großteil der damaligen Konkurrenten spielt heute nicht mehr in der Ostliga. Wie hat sich das Niveau der Liga in den vergangenen Jahren verändert?
Wenn ich an 2018 zurückdenke, war das Niveau der Liga damals unglaublich stark. Ich bin heute noch stolz drauf, dass wir über 60 Punkte geholt haben und Rückrundenmeister wurden. Für Amstetten war dies gegen Teams wir Horn, Ebreichsdorf, Austria Amateure oder Mauerwerk keine Selbstverständlichkeit. Ich glaube mangels Aufstiegswillen einiger Klubs, aber auch coronabedingt hat sich die Gesamtqualität in den letzten Jahren etwas verschlechtert, zumal auch noch die Reduktion auf 13 Vereine hinzukam. In dieser Saison ist das Niveau wieder deutlich höher und viel ausgeglichener, denn jeder kann jeden schlagen. Auch die zahlreichen Transfers jetzt im Winter werten die Qualität der Liga ungemein auf.
Du bist auch als Zweitligaexperte für LAOLA1 tätig. Kannst du 3,5 Jahre nach der Ligenreform ein (Zwischen-)Fazit ziehen, denkst du die Ausweitung der Liga auf 16 Vereine ist ein Erfolg oder siehst du Verbesserungsbedarf?
Ich bin der Meinung, dass das Niveau vor der Reform mit zehn Vereinen rein sportlich betrachtet deutlich stärker war. Jetzt sieht man ziemlich klar, welche Vereine sich im Profi- und welche sich im Semiprofessionellen Bereich bewegen. Für Außenstehende ist die Liga durch die Ausweitung und den vorhandenen Traditionsvereinen wie beispielsweise GAK, Vorwärts Steyr oder Wacker Innsbruck interessanter geworden.
Seit dem Abbruch der letzten Saison gab es ein paar Veränderungen in deinem Team, Valentin Tiscornia und Marco Kepler sind neue Co-Trainer. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Sehr gut, vor allem weil wir eine gute Rollenverteilung im Team haben. Valentin Tiscornia kümmert sich vermehrt um die Videoanalyse, Marco Kepler unterstützt mich in allen Bereichen und mit Marko Rados haben wir nun auch einen neuen Fitnesstrainer im Team dabei. Jeder deckt seinen Bereich sehr gut ab. Mit Andreas Gössl haben wir nicht nur einen exzellenten Tormanntrainer, sondern er steht uns jungen Trainern aufgrund seiner Erfahrung oftmals mit Rat und Tat zur Seite. Wir ergänzen uns einfach sehr gut im Team, was auch eine wichtige Basis für die Entwicklung unserer Mannschaft ist.
Der Sport-Club wird nicht um Zulassung zur 2. Liga ansuchen. Ist es da eine besondere Herausforderung, die Spieler vor jedem Spiel voll zu motivieren?
Wenn du als Spieler alle 14 Tage vor 1.500 Zusehern am Sportclub-Platz auflaufen darfst, sollte sich die Motivationsfrage eigentlich nicht stellen. Wir besprechen mit den Spielern sehr klar unsere Zielsetzungen. Die Jungs wissen, dass wir in dieser Saison noch keine 2. Liga-Zulassung beantragen. Wichtig ist, dass wir uns auch interne Ziele setzen. Unabhängig der Zielsetzung des Vereins, wir haben auch Ansprüche an uns selbst, welche wir auch laufend überprüfen und adaptieren.
Du bist jetzt knapp drei Jahre beim Wiener Sport-Club. Eigentlich eine für einen Trainer bereits lange Zeit. Wie wichtig ist es da für dich, deine Ansprache oder dein Verhalten gegenüber den Spielern zu verändern, sodass du dich nicht abnützt?
Authentizität ist hierbei ein wesentlicher Punkt, denn ich bin so wie ich bin. Die Spieler haben heute sehr sensible Antennen und würden sofort merken, wenn ich versuchen würde anders zu sein oder etwas zu inszenieren. Aber klar ist es notwendig nach so langer Zeit, neue Reizpunkte zu setzen, sei es in der Ansprache oder im Training. Wobei, auch hier ist ein Mittelweg wichtig, denn viel von dem was wir bisher gemacht haben war in den letzten Jahren erfolgreich. Oftmals setzen sich neue Reize auch von selbst, zum Beispiel durch neue Spieler oder auch durch Veränderungen im Trainerteam.
Und deine Ziele? Du bist ein junger und ambitionierter Trainer, hast immer wieder Anfragen aus der 2. Liga. Ist die Bundesliga das große Ziel? Könntest du dir vorstellen, irgendwann mal im Ausland zu arbeiten?
Es liegt in der Natur der Sache, dass man immer nach dem Höchsten strebt. In Österreich ist der Trainermarkt sehr eingeschränkt und obwohl sich schon viele Dinge verändert haben ist es nach wie vor nicht so einfach ohne selbst einmal Bundesligakicker gewesen zu sein. Ich versuche dort wo ich arbeite mein Job mit all meinen Stärken und Schwächen so gut wie möglich zu machen. Ich muss einfach das Gefühl haben, dass sich etwas weiterentwickelt, alles andere kommt dann von selbst. Ich habe zum Beispiel auch den Schritt von Amstetten aus der 2. Liga zum Sport-Club in die Regionalliga nicht als Rückschritt gesehen, weil ich hier die letzten Jahre etwas entwickeln durfte.
Letztes Jahr hast du die Trainerausbildung mit der UEFA-Pro-Lizenz erfolgreich abgeschlossen. Wie nutzt du die neugewonnene Zeit?
Von dieser neu gewonnen Zeit bekomme ich aktuell nicht viel mit, denn vor allem die letzten Wochen mit Vorbereitungsplanung, Transfergesprächen, etc. waren sehr intensiv. Viel wird sich auch nicht ändern, denn es fallen zwar die laufenden Ausbildungsmodule weg, aber die Weiterbildung hört bei einem Trainer nie auf.
Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg für die Rückrunde!