Modus 1991/92
In der Saison 1991/92 waren die erste und die zweite Division durch einen dreiteiligen Playoff-Modus miteinander verbunden. Nach einem Grunddurchgang mit Hin- und Rückspiel spielten die ersten acht Klubs der ersten Division um Meisterschaft beziehungsweise Europacupplätze, im mittleren Playoff standen die letzten vier Teams der ersten Liga und die ersten vier Mannschaften der zweiten Liga. Sie ermittelten vier Aufsteiger in die erste und vier Absteiger in die zweite Division. Aus der ersten Division starteten hier Sturm Graz, Krems, Vienna und Donawitz, aus der zweiten Leistungsstufe waren es der LASK, der GAK, Mödling und der Sport-Club. Im unteren Playoff ging es um den Verbleib beziehungsweise Abstieg aus der zweiten Division.
Der Grunddurchgang
Nach einem Exodus von Leistungsträgern, die alle aus finanziellen Gründen und mangelnder sportlicher Perspektive abwanderten, zauberte Trainer Adi Pinter eine neue Truppe aus dem Hut. Der slowakische Torhüter Petar Palúch, der jugoslawische Libero Goran Kartalija, Gernot Zirngast aus Mödling und die beiden Grazer Klaus Spirk (GAK) und Christian Kircher (Sturm) bildeten den neuen Stamm, der sich naturgemäß erst zusammenfinden musste. Mit der 15. Runde (6:1 gegen Klagenfurt) bahnte sich eine Kehrtwendung.
mit Aussicht auf den rettenden vierten Platz zur Teilnahme am mittleren Playoff an. Nach einer Siegesserie wurde der FavAC noch
überholt, und die Dornbacher hatten das erste Ziel erreicht. Im Playoff starteten die Hernalser genauso schlecht wie in der Meisterschaft. Nach zwei Niederlagen endete die Zeit von Trainer Pinter, für ein Match war Dr. Medviď Interimscoach, ehe Willy Kaipel übernahm. Vom letzten Tabellenplatz weg rollte er mit seinen „jungen Wilden“ das Feld auf, sodass in der letzten Runde ein Punkt beim GAK zum vierten Platz und damit zum Aufstieg reichen sollte. Ansonsten wäre die Vienna nach einem 2:1 gegen Sturm Graz wieder erstklassig geworden.
Das Entscheidungsspiel: nichts für schwache Nerven
GAK – Wiener Sport-Club 4:4 (2:1) Dieser eine Punkt schien zum Greifen nah, stand es doch zur Pause 0:0, ehe ein sintflutartiges Gewitter Schiedsrichter Benkö zur Verschiebung auf den nächsten Tag zwang. Am 4. Juni 1992 ging es wieder von vorne los. Der Sport-Club spielte in folgender Aufstellung: Petar Palúch; Michael Helm, Michael Horak, Goran Kartalija, Walter Hochmaier; Klaus Spirk, Rene Trpak, Gernot Zirngast, Roman Mählich; Thomas Janeschitz, Frank Pastor. Trainer Kaipels Konzept war an beiden Tagen gleich: „Auf einen Punkt zu spielen ist zu riskant, deshalb spielen wir auch heute offensiv“. Der GAK erwischte einen bärenstarken Start, und nach 12 Minuten erzielte Vladimir die 1:0-Führung. Walter Hochmaier, der offensivstarke Verteidiger, traf zum Ausgleich (22.). Kurz vor der Pause legten die Grazer wieder vor: 2:1 durch Verteidiger Pech (44.). Erwin Dampfhofer baute die Führung noch aus – 3:1 (70.). Das 4:1 durch den ersten Saisontreffer von Edi Glieder (75.) schien das Ende aller Dornbacher Träume zu sein.
Das Wunder von Graz
Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch den Ausschluss von Walter Hochmaier 3 Minuten später. „Ich habe eine lächerliche Gelbe Karte bekommen und wurde nach einem Foul ausgeschlossen. Das Spiel durfte ich nicht von der Bank weiterverfolgen, sondern beobachtete es von der Dusche aus, auf einem Sessel stehend“, ärgert er sich noch heute. Noch in Minute 78 erzielte Thomas Janeschitz das Tor zum 4:2 und schildert das so: „Wir gaben nicht auf, spielten jetzt auf Teufel komm raus. Nach einem Kopfballduell bekam ich den Ball und traf ihn mit einem Seitfallzieher ganz genau. In der Wertung zum ,Tor des Jahres‘ wurde ich damit Zweiter.“ Der GAK war sich seiner Sache sehr sicher, aber durch den Treffer ging ein Ruck durch die Hernalser, es herrschte eine „Jetzt-erst-recht-Mentalität“. Willy Kaipel trieb seine Mannen nach vorne: Libero Kartalija jagte einen Freistoß zum 4:3 ins Kreuzeck (85.), den Thommy Janeschitz als „unglaublich scharfen Strich“ bewunderte. Auf seine Schussqualitäten angesprochen, meint Goran: „Ich war im Nachwuchs immer Stürmer, erst als ein Verteidiger verletzt wurde, musste ich hinten spielen.“ Kaipel brachte mit Gerd Steinkogler und Christian Kircher zwei ausgeruhte Offensivkräfte, während der taumelnde GAK das Ergebnis über die Runden bringen wollte. In der 89. Minute flankte Kircher, Toptorschütze Thommy Janeschitz nahm den Ball volley, und der Ausgleich war perfekt. Kommentar des zweifachen Torschützen: „Beim GAK flatterten die Nerven, wir dagegen waren die ganze Saison topfit und dachten uns: Da geht noch was! Und wir hatten recht. Eine tolle Vorarbeit von Pastor und Steinkogler, Kircher flankte, und ich voll endete volley zum 4:4.“
Was danach folgte, war für die Spieler und Betreuer Gänsehaut pur: Mit den mitgereisten Fans wurde ausgelassen gefeiert, und als der Mannschaftsbus zu nachttrunkener Stunde in Dornbach ankam, warteten schon begeisterte Fans und feierten mit den Spielern bis ins Morgengrauen. Der Sport-Club war wieder in der ersten Division, doch die Vienna vermutete via Geschäftsführer Heinz Havelka Schiebung; außerdem zweifelte er die Spielberechtigung von Gernot Zirngast an. Nichtsdestoweniger spielte die Vienna in der nächsten Saison nur mehr in der zweiten Liga – der Aufstieg blieb ihr bis heute versagt. Nach den Ursachen für den Erfolg gefragt, urteilt Walter Hochmaier: „Es war eine Mischung aus Euphorie, Glück und Kampfgeist. Die Mannschaft hatte eine sensationelle Moral und hat bis zum Umfallen gefightet. Willy Kaipel war menschlich hervorragend und ein guter Trainer.“ Verteidigerkollege Goran Kartalija ergänzt: „Die Mannschaft hatte Charakter, es herrschte eine tolle Kameradschaft. Als ich von Vojvodina Novi Sad zum Sport-Club kam, hatte ich richtig Glück: Ich hatte bald viele Freunde, die mir halfen, rasch Deutsch zu lernen, Thommy und Walter ganz besonders!“ Thommy Janeschitz legt noch einen drauf: „Der Wiener Sport-Club ist einer meiner Herzensvereine. Adi Pinter hat meine Karriere gerettet, weil er mich aus dem Mittelfeld nach vorne beorderte. Willy Kaipel habe ich sehr geschätzt: Er war ruhig und gelassen, im Finish gegen den GAK hat er uns jedoch voll gepusht und mit vier Stürmern spielen lassen – es hat sich gelohnt.“ Willy Kaipel streut der Mannschaft Rosen: „Wir waren eine Einheit, jeder war für den anderen da, der unglaubliche Wille der Elf war auch in Graz ausschlaggebend.“
Die Folgen
In der Saison 1992/93 wurden die „Namenlosen“ in den diversen Vorschauen als klarer Abstiegskandidat gehandelt. Doch wieder kam es anders, zumindest im Herbst. Weitgehend begeisternder Fußball, Siege gegen die Austria und zweimal gegen Rapid, das ergab den vierten Rang, zwei Zähler hinter Leader Salzburg, aber Rapid auf den fünften Platz verdrängt. Wer hätte das gedacht? Willy Kaipel wurde bei der von Journalisten durchgeführten Wahl zum „Trainer des Jahres“ gekürt. Aber: In der Winterpause wechselten Hochmaier und Kartalija zum LASK, ein tiefer Fall folgte. Nach zehn Runden trat Willy Kaipel als Trainer zurück und versuchte, die fatale finanzielle Situation in den Griff zubekommen – sein Co Hans Hörmayer rückte nach. In der Abschlusstabelle waren die Hernalser auf Rang sieben platziert, aber aus der finanziellen Krise war kein Ausweg zu finden. Die Mannschaft war alsbald in alle Winde zerstreut. Hochmaier und Kartalija, beide Trainer im oberösterreichischen Unterhaus, wohnenin derselben Region und treffen sich noch öfters, Janeschitz hat noch Kontakt zu Gernot Zirngast, Bernd Dallos und Petar Palúch. Eines ist den drei außer den Teamberufungen noch gemeinsam: Die Zeit beim Sport-Club möchte ich nicht missen..
Text: Friedl Schweinhammer